Au weia, war Traudl heute sauer. Die Erfahrungen von gestern haben sich heute fortgesetzt. Aber nichts Großartiges und auch nur einmal. Wir haben zunächst wieder fürstlich gefrühstückt (ich muss das unbedingt mal fotografieren) allerdings früher als sonst. Heute ist wolkenloser Himmel und ich befürchte wir können sonst nicht mehr auf dem Dach sitzen. Aber dafür war es selbst um halb acht schon zu spät. Deshalb haben wir unten im Lichthof Platz genommen, obwohl oben schon eingedeckt war. Aber wir haben das selbst schnell runtergeräumt. Dann sind wir quer rüber gegangen und haben unser Auto vom Hof geholt. Mit dem ging es Richtung El Cobre aus der Stadt. Dort steht die gleichnamige Basilica mit dem größten Nationalheiligtum Kubas. Es ist eine kaum 30 cm hohe Porzellanstatue, die die Heilige Jungfrau darstellen soll. Der Sage nach wurde die Figur auf einem Holzbrett stehend (!) in einer Bucht nahe bei Guadalavaca angeschwemmt. Schon Kilometer vor dem Dörfchen werden wir teilweise aggressiv bedrängt Blumengestecke zu kaufen. Am Straßenrand stehen kleine Verschläge, die als Verkausstand dienen. Das reicht aber nicht, die Verkäufer treten auf die Straße hinaus und wedeln wild mit ihren Gestecken. Einer brüllt derart laut, dass wir es im Auto auf der holprigen Straße und bei laufender Klimaanlage hören. Das verdichtet sich immer mehr, bis kurz vor die Basilica. Dort steht dann auch noch ein Mann mit einem Plastikausweis, der uns für 10 CUC zwei eingeschweisste Plastikmarken verkauft. Er macht sehr gewichtig deutlich, dass dies die Parkgebühr sei. Grummelnd zahle ich und wir fahren auf den Parkplatz hinter der Kirche. Dort will Traudl dem Parkwächter, der uns in den Parkplatz eingewiesen hat, die beiden Marken aushändigen. Sie erntet erstauntes augenbrauenhochziehen und einen Redeschwall, bis sie dem alten Herrn begreiflich macht, dass sie nichts versteht. Dann gibt er uns in einzelnen Brocken zu verstehen, dass das Parken hier nichts kostet, dass das ein Bandito war, der die Marken verkauft hat und wir uns mit den Marken an die Policia wenden sollen. Jetzt platzt Traudl der Kragen. Ich wiederhole lieber nicht wie sie sich über die Kubaner und ihr Verhalten zu Füßen dieses Heiligtums äußert. Aber lasst eurer Phantasie freien Lauf, ihr werdet nicht so falsch liegen.
Nachdem wir der Porzellanpuppe unsere gebührende Aufwartung gemacht haben, fahren wir sehr langsam die Straße wieder hinunter, wo der Bursche gestanden hatte. Leider ist von dem nichts mehr zu sehen. Ein paar Meter weiter steht am Straßenrand ein Polizist, dem wir mithilfe zweier dabeistehender (eher sich dazudrängender) Normalos, soweit man die abgerissenen Typen als solche bezeichnen kann, den Sachverhalt schildern. Der junge Kerl sieht sichtlich betroffen aus und weiß so gar nicht was er tun soll. Die beiden Anderen raten mit gewichtiger Miene, wir sollten uns doch genau umsehen, ob wir den gemeinen Kerl nicht irgendwo sähen, während das Polizistchen schüchtern nickt. Ich schaue zu Traudl rüber und meine, komm fahr zu, beenden wir das Schmierentheater. Entweder stecken die alle unter einer Decke, zumindest aber die beiden Abgewrackten. Und das Polizeibürschlein ist wenigstens hoffnungslos überfordert. Lohnt den Aufwand nicht wegen knapp 9 Euro.
So geht die Fahrt retour nach Santiago. Heute ist die Luft recht klar und die bewaldeten, steilen Hügel der Sierra Maestra sind wunderbar anzuschaun. Bevor wir ganz nach Santiago reinfahren, geht es nach rechts ab und wir suchen uns den Weg zur Küste. Die fahren wir dann gut 90 Km ab, beenden die Fahrt dann aber, weil sich das Küstenstraßen-Highlight nicht so richtig zeigen will. Die meiste Zeit führt die Straße getrennt durch dichte Büsche und Mangroven an der Küste entlang. Deshalb drehen wir um und und suchen nach einer Möglichkeit eine Pause zu machen und etwas zu trinken. Wir hatten zwei Hotelanlagen passiert und versuchen es bei der ersten. Dort ist gähnende Leere. Draußen hängen in der Hitze ca. 20 Bedienstete herum und als ich frage, ob man hier was trinken kann nur mildes Lächeln, dann als Antwort: Cerveza? Si! Als ich das ablehne und pantomimisch das autofahren andeute und nach Kola oder Lemonada frage, ernte ich nur ausdrucksloses Kopfschütteln. Oh Mann, wie sind die denn hier drauf? Eigentlich eine Anlage mit super Lage auf einem kleinen Hügel direkt an der Küste. Und dann dieser Totentanz, diese Lethargie. Wir fahren weiter und kommen zu einem „Luxuskomplex“, zumindest für kubanische Maßstäbe. Zum Haupteingang können wir nicht fahren, den blockiert ein großer Reisebus von Transtur. Also fahren wir zum Strand um die Anlage herum. Am Strand ist aber nur eine kleine Bretterbude. Die drei Tischchen sind mit eigenen Leuten belegt. Zwischen Strand und Hotelanlage ist das Restaurant. Komplett eingedeckt aber gähnend leer. Als wir fragen, ob wir uns hier hinsetzen können, um was zu trinken, heißt es in recht gutem Englisch: Nö, dazu müssen Sie erstmal zur Rezeption und eine Wertmarke für ein oder zwei Stunden kaufen. Die kosten pro Nase und Stunde oder auch zwei 10 Dollar. Wie bitte, ich will den Laden doch nicht kaufen, ich möchte nur eine Limonade trinken. Ja, das geht nicht, weil hier ist alles all inclusive. Kassen gibt es keine. Wir können dann aber auch alles nutzen in der Zeit. Wir haben keinen Bock auf „alles nutzen in der Zeit“ und fahren wieder unverrichteter Dinge weiter. Nach einigen Kilometer sehe ich an der Küste wieder so eine halb verfallene Strandanlage. Auf der Wiese werden Pferde geweidet und da wo mal schick betonierte Gebäude standen in denen vielleicht auch Gastronomie beheimatet war, liegen die Pferdehirten herum. Diese Marktlücke hat ein junger Unternehmer des angrenzenden Dörfchens entdeckt und einen winzigen Paladar errichtet. Ich sehe den gerade noch aus den Augenwinkeln, steige in die Bremsen und fahre die paar Meter rückwärts zurück. Sieht recht sauber aus, probieren wir es aus. So viel Initiative in diesem Land muß belohnt werden. Wir bekommen umgehend die gewünschten Getränke und genießen die Pause. Nun steuern wir noch unseren letzten Programmpunkt für heute an, den Cemetario Iphigenie. Wir beobachten die Wachablösung, die mit pathosgeladener lauter Musik abläuft. Das soll sich tatsächlich alle 30 Minuten wiederholen. Muss sicher auch so sein, denn die armen Kameraden stehen wirklich stocksteif da und verziehen keine Miene. Einer wird von seinem Chef, kaum das er dasteht, schon im Gesicht abgewischt und aufgemuntert.